Mit Berufungsurteil vom 10. August 2021 (2-24 S 31/21) hat das Landgericht Frankfurt /Main entschieden, dass ein Reiseveranstalter keine Rücktrittsentschädigung verlangen kann, wenn er die Reise nach einem vom Reisenden erklärten Rücktritt selbst „absagt“.

Was war geschehen?

Der Kläger schloss mit der Beklagten am 07. August 2019 für sich und seine Ehefrau einen Pauschalreisevertrag. Inhalt der Reiseleistungen war die Erbringung der Reiseleistungen in England zwischen dem 28. März 2020 und dem 4. April 2020. Ende Februar 2020 befürchtete der Kläger, dass er aufgrund der zunehmenden Ausbreitung des Corona-Virus die Reise nicht angetreten werden könne, zumal sowohl er als auch seine Ehefrau aufgrund einer langjährigen Krebserkrankung zur Covid-19 Risikogruppe gehörten. Der Kläger erklärte daher am 26. Februar 2020 den Rücktritt vom Pauschalreisevertrag. Weder eine Reisewarnung noch Einschränkungen der Bewegungsfreiheit wurden von den zuständigen Behörden bis dato veröffentlicht.

Das Urteil des Amtsgerichts

Mit dem Urteil vom 25. November 2020 hat das Amtsgericht Frankfurt/Main die auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe nach dem Rücktritt des Klägers einen Anspruch auf angemessene Entschädigung gemäß § 651h Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BGB in Verbindung mit Ziffer 9.3 der AGB der Beklagten in Höhe des streitgegenständlichen Betrages. Die Voraussetzungen des § 651h Abs. 3 BGB, wonach bei außergewöhnlichen Umständen keine Stornokosten erhoben werden dürfen, lägen nicht vor. Bei der Beurteilung des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände käme es allein auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an. Dies ergebe sich aus der systematischen Auslegung des § 651h BGB sowie unter Berücksichtigung des durch diese Vorschrift umgesetzten Art. 12 der Pauschalreise-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2015/2302). Der Vortrag des Klägers genüge nicht, um die von ihm vorgenommene Prognose der Gefahren im maßgeblichen Zeitraum der Reise zu stützen. Reisewarnungen waren zu diesem Zeitpunkt nicht veröffentlicht und in Deutschland gab es allenfalls 16 Infektionen mit dem neuartigen Corona Virus. Im vorliegenden Fall einer vertraglichen, grundlos möglichen Rücktrittsmöglichkeit seien etwaige Reserveursachen (wie die spätere Absage der Reise durch den Reiseveranstalter) nicht zu berücksichtigen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt.

Das Verfahren vor dem Landgericht 

Das Landgericht hat sich in dem Berufungsurteil umfassend mit den Argumenten für und wider einer Einbeziehung der Tatsachen im Zeitpunkt der geplanten Reise, also einer ex-post-Betrachtung auseinandergesetzt. Einer strengen ex-ante-Betrachtung, d. h. Beurteilung der sich abzeichnenden Gefahren im Zeitpunkt der geplanten Reise im Sinne einer Prognose im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung hat das Landgericht schließlich eine Absage erteilt.

Das Landgericht hat entschieden, dass die Beklagte nicht berechtigt war, die geleistete Anzahlung mit der Begründung, ihr stünde ein Entschädigungsanspruch zu, einzubehalten.

Unbeachtlich war für das Landgericht, ob bei einer ex-ante-Betrachtung zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung das damals bestehende Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit dem Corona Virus bereits eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstandes im Sinne des § 651h Abs. 3 begründete. Auf eine solche Betrachtung im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung kommt es nach der Auffassung der 24. Zivilkammer nicht an, wenn der Reiseveranstalter später selbst die Reise aufgrund von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen absagt.

Es sei dem § 651h Abs. 3 BGB nicht zu entnehmen, dass der Reisende eine Prognose im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung anstellen muss im Hinblick auf die Gefahren für die Reise für den in Rede befindlichen Zeitraum. Es sei nicht ersichtlich, dass die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände bereits im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vorliegen müssen es würde der Natur des Entschädigungsanspruchs des Reiseveranstalters und der Zielrichtung des Verbraucherschutzes widersprechen, wenn dem Reiseveranstalter nach seiner Reiseabsage wegen Unmöglichkeit der Reise noch ein Entschädigungsanspruch zustünde.