Arbeitgeber haben in der Pandemie die Aufgabe, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor der Ansteckung mit Covid-19 zu schützen. Die mittlerweile fast allen zugängliche Impfung gegen Corona ist dabei ein wichtiger Baustein, der nicht nur die Geimpften selbst schützt, sondern auch die Ungeimpften. Arbeitgeber überlegen, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Prämie für die Schutzimpfung zu zahlen. Hierbei wird immer wieder gefragt, ob eine solche Zahlung überhaupt zulässig ist. Auf der einen Seite wird angeführt, dass Impfprämien gegen das Maßregelverbot des § 612 a BGB und den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstoßen könnten, insbesondere wird auf die bisher zurückhaltende Rechtsprechung bezüglich der Vorenthaltung von Sonderleistungen für lediglich bestimmte Arbeitnehmer (vgl. Naber/Schulte, 2021, 81 ff.) und das Zustimmungserfordernis des Betriebsrates nach § 87 Absatz 1 Nr. 10 BetrVG verwiesen.

Auf der anderen Seite wird mit der Impfprämie eine besondere Leistung des Arbeitnehmers honoriert, zu der er nicht verpflichtet ist. Er gibt eine grundrechtlich geschützte Position auf, weshalb sollte es dafür nicht einen Ausgleich geben?

Gleichheitsgrundsatz

Um einer gerichtlichen Kontrolle Stand zu halten, ist daher der Gleichbehandlungsgrundsatz als Maßstab für die rechtliche Wertung von Impfprämien zu beachten. Mittelbar verbietet er dem Arbeitgeber daher in seinem Betrieb einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von Begünstigungen auszunehmen oder ihnen Belastungen aufzuerlegen (BAG v. 26.10.1994, 10 AZR 109/03). Ein rechtlicher Grund wird immer dann angenommen, wenn die Verwehrung der Begünstigung “auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen [beruht] und gegen keine verfassungsrechtlichen oder sonstigen übergeordneten Wertentscheidungen verstoßen [wird]” (BAG v. 18.9.2001, 3 AZR 656/00).

Als sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von geimpften und nicht geimpften Arbeitnehmern lässt sich der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter, Kunden und der Gesellschaft heranführen. Ebenfalls entspricht eine Impfung auch den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers und durch Schaffung eines finanziellen Anreizes kommt der Arbeitgeber auch seinen Fürsorgepflichten nach.

Ein weiterer sachlicher Grund ist die Empfehlung der Corona Impfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO).

Es ist daher davon auszugehen, dass zum Schutz der Arbeitnehmer, der Allgemeinheit und des Betriebs, das Arbeitsrecht den Unternehmen grundrechtskonform gestatten kann, ihren Angestellten Vorteile für die Impfung gegen Corona zu gewähren. Wichtig ist jedoch ein klar durchdachtes System bei der Ausgestaltung der Impfprämien, sodass dann spiegelbildlich zum sachlichen Grund für eine Sonderzahlung, wiederum auch ein sachlicher Grund vorliegen dürfte, Arbeitnehmer von der Zahlung der Impfprämie auszunehmen.

Maßregelverbot nach § 612a BGB und § 16 AGG

Gerade bei der Regelung des § 612a BGB und § 16 AGG sind die obigen Erwägungen anzuführen. Sie zielen darauf ab, dass Arbeitnehmer “bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht [benachteiligt werden dürfen], weil sie in zulässiger Weise [ihre] Rechte [ausüben]”. Die Nichtgewährung einer Impfprämie bei der Verweigerung der Impfung könnte entsprechend gegen das Maßregelverbot des § 612 a BGB verstoßen, allerdings ist dies wohl auf Einzelfälle zu beschränken, weshalb es besonders wichtig ist, das Prämienmodell sorgfältig auszuarbeiten, um nicht gegen § 612a BGB  zu verstoßen oder eine Benachteiligung nach § 16 AGG zu begründen.

Von einer grundsätzlichen Zulässigkeit einer Impfprämie ist auszugehen. Dennoch besteht ein Risiko von Gegenwehr durch Arbeitnehmer, die nicht begünstigt werden und die Prämie (und gegebenenfalls Schadensersatz) einklagen wollen.

Nach der Aufhebung der Impfpriorität können vor allem Klagen auf Gewährung der Impfprämie von Arbeitnehmern erfolgen. In Betracht kommen vor allem Arbeitnehmer, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, Schwangere und Arbeitnehmer, die eine Impfung, wie generelle medizinische Behandlungen wegen ihres religiösen Glaubens ablehnen.

Betriebsrat

Die Einführung einer Impfprämie ist als Frage „der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung“ einzustufen, welche nach § 87 I Nr. 10 BetrVG eine Mitbestimmung des Betriebsrats voraussetzt. Möglich wäre es, dass vereinzelt gegen eine Einführung einer Impfprämie durch Betriebsräte mit dem Argument gestimmt wird, dass eine Ungleichbehandlung, wie in den obig genannten Beispielen, den Betriebsfrieden stört.

Ausblick

Die nächste Zeit wird zeigen wie hoch die Akzeptanz der Mitarbeiter, Betriebsräte und vor allem der Gerichte für die ausgearbeiteten Konzepte der Impfprämien ist.